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Verkehrssicherungspflicht

Beurteilung der Verkehrssicherheit von Bäumen

Was heißt Verkehrssicherheitspflicht?

Bäume haben immer einen Eigentümer. Eigentum verpflichtet. Der Baumeigentümer ist dafür verantwortlich, dass von diesem – seinem – Baum keine Schäden ausgehen und dadurch andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet werden. Obwohl es keine gesetzliche Definition der Verkehrssicherheitspflicht gibt, versteht die Rechtssprechung darunter die Verpflichtung des Grundeigentümers (ob privat oder in öffentlicher Hand) all jene Vorkehrungen zu treffen, dass vom Grundstück keine Gefahren ausgehen bzw. die Verpflichtung Sorge zutragen, dass die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz Dritter rechtzeitig getroffen werden. Verkehrssicherheitspflicht für Bäume bedeutet Verantwortung für Bäume zu übernehmen.

Dieser Verkehrssicherungspflicht wird entsprochen, wenn die nach dem Stand der Erfahrung und Technik als geeignet erscheinenden Sicherungsvorkehrungen rechtzeitig getroffen werden. Die Verpflichtung ist aber abhängig von der Wahrscheinlichkeit eines Schadeneintritts. Es zieht also nicht jede denkbare Gefährdung eine Pflicht zur Verkehrssicherung nach sich, sondern vielmehr erst eine solche, die für den Sachkundigen eine Verletzung oder Beschädigung Dritter möglich macht. Damit haftet der Baumeigentümer für Schäden, wenn Schadwirkungen (z.B. Astbruch, Umstürzen oder Abbrechen eines Baumes) eine Folge der mangelhaften Beschaffenheit des Baumes sind und er nicht beweisen kann, die zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet zu haben. Es haftet deshalb, da nur er es in der Hand hat, eine mangelhafte Beschaffenheit früh zu erkennen und für geeignete, rechtzeitige Abhilfe zu sorgen. Diese Haftung des Baumhalters (Besitzers) ist eine Verschuldensfrage mit umgekehrter Beweislast, d.h., nicht der Beschädigte hat das Verschulden des Schädigers, sondern letzterer hat seine Schuldlosigkeit zu beweisen. Folgen der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht sind Schadensersatz, bei Körperverletzung tritt die strafrechtliche Belangung hinzu.

Wann ist Fahrlässigkeit gegeben?

Die Einschätzung der Fahrlässigkeit stellt eine rechtliche Frage dar; es obliegt dem Richter die Grenze zwischen grober und leichter Fahrlässigkeit zu ziehen. Nach der Rechtssprechung liegt grobe Fahrlässigkeit vor, wenn es sich um Außerachtlassungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt handelt, die sich aus der Menge der unvermeidbaren Fahrlässigkeiten des täglichen Lebens als auffallend herausheben (OGH ZVR 1971/101), wenn das unterlaufene Versehen mit Rücksicht auf die Schwere und Häufigkeit nur bei besonders nachlässigen und leichtsinnigen Menschen vorkommen kann und nach den Umständen die Vermutung des bösen Vorsatzes nahe liegt (OGH EvBl 1970/311). Demnach muss der Eintritt eines Schadens nicht nur als möglich, sondern geradezu als wahrscheinlich vorauszusehen sein. Als nicht grob fahrlässig beurteilten das OLG Wien und der OGH (OGH 17. August 1992, ZVR 1993/47), wenn ein Fachmann der die erforderlichen Kontrolle durch häufiges Begehen vornahm und einen Baum übersah ... der im geschlossenen Waldbestand stehend bei der Kontrolle aus der Masse der anderen Waldbäume nicht hervorstechen musste. Jedermann hat die Sorgfalt eines Durchschnittsmenschen anzuwenden (§ 297 ABGB), der bei der Waldbewirtschaftung Tätige darüber hinaus meist auch die Sorgfalt eines Fachmannes (§ 1299 ABGB).

Wie ist die Verkehrserwartung?

Höchste Sicherheitsansprüche gelten Bäumen auf öffentlichen Plätzen, entlang von Straßen und Wegen. Eine zeitgemäße, moderne Baumpflege und Verkehrssicherheitskontrolle sollten Standard sein. Argumente zu knapper kommunaler Budgets und zu geringer Personalressourcen stellen keine Rechtfertigung für unterbleibende Baumpflegemaßnahmen und Verkehrssicherheitskontrollen dar.

Aber auch den Eigentümer (oder Nutzungsberechtigten) privater Grundstücke trifft die Verkehrssicherheitspflicht; auch er hat für die von seinem Grundstück bzw. den darauf stockenden Bäumen ausgehenden Gefahrenquellen alle zumutbaren Maßnahmen zum Schutze Dritter zu treffen. Wenn auch nicht die gleich hohen Anforderungen wie an eine verkehrssicherheitspflichtige Behörde oder Kommune gestellt werden können, insbesonders was die fachlichen Vorkenntnisse und regelmäßige Kontrollverpflichtung betrifft, bedeutet dies nicht, dass der private Grundeigentümer seine Bäume nicht kontrollieren muss. Als Faustregel gilt, dass die für jeden Laien erkennbaren Mängel am Baum zu entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen veranlassen müssen. Die Kontrollintensität ergibt sich aus der Verkehrserwartung; also wo diese Bäume stehen und welchem Verkehr sie ausgesetzt sind. Stehen beispielsweise große und alte Bäume nahe der Grenze zu stark befahrenen Straßen und Wegen und kann der Privateigentümer nicht ausreichend beurteilen, ob eine Gefahr von diesen Bäumen ausgeht, so hat er einen sachkundigen Fachmann (Gärtner, Sachverständiger) mit der Verkehrssicherheitsüberprüfung (Kontrolle) zu beauftragen.

Da die Verkehrssicherheitsverpflichtung grundsätzlich den Baumeigentümer erfasst, gilt dies auch für vermietete oder verpachtete (z.B. Gastgarten) Grundstücke. Weitergehende Regelungen bleiben gesonderten Bestimmungen in der Vertragsgestaltung (Pacht-, Mietvertrag) zwischen Verpächter (Vermieter) und Pächter (Mieter) vorbehalten.

Diese für Solitärbäume strengen Verpflichtungen sind nicht direkt auf Waldbäume übertragbar. Abseits von Forststraßen und Wegen besteht für den Waldeigentümer keine Kontrollpflicht. Entlang von Forststraßen, Waldparkplätzen, auf Waldlehrpfaden, Fitnessparcours, Reitwegen und in Erholungswäldern (gemäß § 36 ForstG 1975) wird von einem jährlichen Kontrollintervall auszugehen sein, wobei sich diese Kontrollauftrag immer aus den spezifischen Gegebenheiten (Bestandesalter, Sicherheitsanforderungen) ableiten muss.

Haftung bei gesetzlich geschützten Bäumen

Eine naturschutzrechtliche Unterschutzstellung (Naturdenkmal, Geschützter Landschaftsteil) ändert grundsätzlich nichts an den Eigentumsverhältnissen und Verpflichtungen des Grundeigentümers, obwohl die Handlungsfreiheit des Baumeigentümers (bzw. Verfügungsberechtigten) durch bescheidmäßige Auflagen der Unterschutzstellung massiv eingeschränkt werden. Das Land Salzburg unterstützt den Eigentümer naturschutzrechtlich geschützter Bäume durch eine jährliche Sichtkontrolle durch Wacheorgane der Salzburger Berg- und Naturwacht und bei hierbei festgestellten bzw. vermuteten Gefährdungen durch eine anschließende Beiziehung eines Sachverständigen. Dem Grundeigentümer erwachsen hieraus keine Kosten; die erfordlichen Pflege- und Sanierungsmaßnahmen werden im Rahmen des Erhaltungsauftrages durch die öffentliche Hand übernommen. Trotzdem verbleibt beim Grundeigentümer die Aufsichtspflicht. Bei sichtbaren Veränderungen an seinen geschützten Baum hat er die Naturschutzbehörde umgehend hiervon in Kenntnis zu setzen.

Etwas anders verhält es sich bei Bäumen in Städten (Wien. Graz, Salzburg) mit einer Baumschutzregelung (Baumschutzgesetz, Baumschutzverordnung). Für die Fällung (ab einem bestimmten Stammumfang) und einen radikalen Baumkronenrückschnitt eine behördliche Bewilligung erforderlich. Aber diese behördliche Bewilligungspflicht entbindet den Baumeigentümer nicht von seinen Verkehrssicherheitverpflichtungen. Eine Haftung der Behörde würde erst dann entstehen, wenn eine aus Verkehrssicherheitsüberlegungen beantragte Fällung bescheidmäßig versagt wurde und danach innerhalb eines sachlich gerechtfertigten Zeitraumes (Regelkontrolle) es zu einem technischen Versagen des Baumes mit Folgeschäden kommen würde.

Art, Umfang, Häufigkeit der Baumkontrollen

Die Rechtssprechung zur Verkehrssicherheitspflicht für Bäume ist sehr restriktive. Gesetzliche Vorgaben gibt es nicht, die Rechtssprechung verlangt die Durchführung von Regelkontrollen in angemessenen Zeitabständen. Der Umfang der Baumkontrollen und der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen ist je nach Lage des Falles an folgenden grundsätzlichen Kriterien zu messen:

  • Zustand des Baumes (Baumart, Baumalter, Wüchsigkeit, Schäden etc.)
  • Standort des Baumes (Park, Garten, Straße, Fußweg, Wald, Parkplatz, Feld etc.)
  • Art des Verkehrs (Verkehrshäufigkeit und Verkehrswichtigkeit)
  • Verkehrserwartung (mit welchen Gefahren muss gerechnet werden; Pflicht, sich selbst zu schützen)
  • Zumutbarkeit der erforderlichen Maßnahmen (auch wirtschaftliche Zumutbarkeit von Baumkontrollen und Sicherungsmaßnahmen)
  • Status des Verkehrssicherungspflichtigen (hinsichtlich der Vorhersehbarkeit von Schäden: Behörde, Kommune, Hausverwaltung, Privatmann)

In der Praxis bedeutet dies im Regelfall eine jährliche Kontrollpflicht. Jüngere gesunde Bäume werden auch mit größeren Kontrollintervallen überprüft werden, bei Problembäumen ist eine zweimalige Kontrolle (im belaubten und im unbelaubten Zustand) geboten.

Das Kriterium dieser Sichtkontrollen ist es keine Anzeichen zu verkennen bzw. zu übersehen, die nach der Erfahrung auf eine weitere Gefahr durch den Baum hinweisen. Der Verkehrssicherheitspflichtige kann sich somit bei Fehlen besonderer Verdachtsmomente auf eine sorgfältige äußere Besichtigung vom Boden aus, also auf eine Gesundheits- und Zustandprüfung, beschränken; er braucht eine eingehende fachmännische Untersuchung nur bei Feststellung verdächtiger Umstände veranlassen. Eine eingehende fachliche Untersuchung wird erst beim Vorliegen besonderer verdächtiger Umstände erforderlich. Baumkontrolle sollten immer dokumentiert werden um – gegebenenfalls – auch als Beweismittel der wahrgenommenen Sorgfaltspflicht herangezogen werden können.

Einfache Beurteilungskriterien (Checkliste)

Nachstehend werden Beurteilungskriterien zur Verkehrssicherheitsüberprüfung aufgelistet, um derart dem Nichtfachmann eine grobe Einschätzung des Gefahrenpotentials und Notwendigkeit einer – gegebenenfalls erforderlichen – Beiziehung eines Sachverständigen zu möglichen:

  • Standort: Vernässungen, Erdabrutschungen unterirdische Leitungseinbauten, zu geringer Standraum (5 m2), Bodenverdichtung, ständiges Befahren oder Beparken des Wurzelbereiches, Streusalzbelastung, Bodenrisse, Grabungsarbeiten im Kronentrauf.
  • Wurzeln: freiliegende, abgestorbene oder beschädigte Wurzelanläufe, Pilzbefall (Rindenablösung, rußige Verfärbung) an den Wurzelanläufen; Stockausschlag; Bodenrisse, Bodenaufwölbungen; Streusalzbelastung, Staunässe; Grabungsarbeiten im überschirmten Kronenbereich (Trauf); Bodenverdichtung (durch laufendes Befahren oder Beparken).
  • Stamm/Rinde: Schrägstellung (Schieflage); Zwieselbildung (geteilter Stamm insbesonders mit V-Form); Stammverletzungen im erheblichen Ausmaß (ca. ein Drittel des Stammumfanges betroffen bzw. 0,5 m vertikale Wunderstreckung), abgehobene Rindenbereiche, Holzrisse durch Blitzschlag, Frostrisse, Wulstbildungen; sichtbare Vermorschungen, Faulstellen; sichtbarer Pilzbefall (Schwammbildung), örtliche Ablösung der Rinde, starke Verharzung, verstärkter Wasserreiserwuchs (Austrieb von Feinästen im unteren und mittleren Stammbereich); Spechtlöcher, Einfluglöcher von Insekten.
  • Kronenraum/Äste: schüttere, durchsichtige Kronenausbildung (Lamettasyndrom bei Nadelbäumen), einseitige, deutlich hangabwärts gerichtete Kronenausbildung; Kopflastigkeit, Überlänge der Seitenäste, erhöhter Dürrastanteil; abgebrochene, noch hängende Äste, Faulstellen und Vermorschungen in den Astgabeln, Mistelbefall, baumfremder Bewuchs; Wipfelbruch bei Nadelbäumen; Blattverfärbungen, Blattnekrosen, Kleinblättrigkeit, verspäteter Blattaustrieb im Frühjahr, herbstliche Blatteinfärbung im Spätsommer.
  • Gefahrenbereiche: Die Gefahrenbereiche ergeben sich aus dem potentiellen Wurfradiusbereich, also aus der Höhe des jeweiligen Baumes zuzüglich eines 50 %igen Zuschlages.

Zusammenfassung

Grundeigentümer sind für die auf ihren Grundstücken stockenden Bäume voll haftend. Bei Beschädigungen durch umstürzende Bäume ergeben sich somit immer eine strafrechtliche (bei Körperverletzungen) und zivilrechtliche (bei Beschädigungen) Relevanz. Eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherheitspflicht liegt nur in solchen Fällen vor, wenn Anzeichen verkannt oder übersehen werden, die nach der Erfahrung auf einen weiteren Schadens durch diesen Baum hinweisen. Die Gesetzgebung und Rechtssprechung verlangt demnach vom Grundeigentümer entsprechende Vorsorgen zu treffen, in einem derartigen Umfang zu erfolgen haben, dass nur noch wirkliche Fälle von "höherer Gewalt" straffrei bleiben. Aber auch in derartigen Verfahren hat der Grundeigentümer nachzuweisen, dass er alles unternommen hat um der gebotenen Sorgfaltspflicht zu entsprechen. Es liegt nicht am Geschädigten diesen Nachweis zu erbringen.

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